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Die strenge calvinistische Reformation Friedrichs III.

 

Autor: H. Geißler
aus: Dieterich, S. 323-340


Vorbemerkung

Die Reformation im Ingelheimer Grund durchzuführen, war Aufgabe der Pfälzer Beamten und Ingelheimer Schultheißen. Wie ihre Aktionen im Einzelnen verlaufen sind, darüber gibt es keine Quellen. Mehr oder minder dürfte Ähnliches geschehen sein wie in Neuhausen, Sinsheim, Oppenheim und Mariacron. Die Übermalungen in der Ober-Ingelheimer Burgkirche haben die vergangenen Restaurierungen offengelegt.

Um sich die Ingelheimer Vorgänge vorstellen zu können, soll im Folgenden der (gekürzte) Bericht Dieterichs aus seinem Aufsatz mit dem Schwerpunkt Oppenheim zitiert werden.

Friedrichs Vorgehen gegen fremdherrliche Gebiete.

1564 etwa waren die Reformen in Friedrichs Erblanden durchgeführt. 1562 hatte er seine christliche Polizeiordnung erlassen, die das kirchliche und ausserkirchliche Leben seiner Untertanen mit puritanischer Strenge regelte. 1563 folgte die kurpfälzische Kirchenordnung und die Eheordnung. In demselben Jahre ist der Heidelberger Katechismus, an dessen Abfassung Friedrich selbst beteiligt war, erschienen. Dies waren die Grundlagen, auf denen der Kurfürst seine Kirchenreformation aufbaute. Grossen Widerstand scheint er dabei in seinen eigenen Landen nicht gefunden zu haben. Das niedere Volk hat sich offenbar um die dogmatischen Streitigkeiten der lutherischen und kalvinistischen Heisssporne wenig gekümmert. Die lutherischen Prädikanten, die sich in die neue Kirchen-Ordnung nicht fügen wollten, wurden gezwungen, auszuwandern. Sie fanden zum Teil in den benachbarten Gebieten strenggläubiger lutherischer Fürsten, wie bei Pfalzgraf Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken, bereitwillige Aufnahme. Ihre Zahl wird kaum sehr gross gewesen sein. …

Zuerst erzwang er in einzelnen Ortschaften des Bistums Worms gegen den Willen des Pfandgebers (des Bischofs von Worms; Gs) und Lehensherrn die Durchführung der Reformation. Dabei ging es, wenn wir dem Klagebericht des Wormsers glauben dürfen, in tumultuarischer Weise zu. Die Beauftragten des Kurfürsten zerstörten die Altäre und alle Bildwerke, die „Götzen“, in den Kirchen und hausten dabei wie die Vandalen. …

Dann kam das zum Bistum Worms gehörige, angeblich reichsfreie Stift Neuhausen bei Worms an die Reihe. Auch hier wurde von den Pfälzern in ähnlicher Weise gehaust wie in den wormsischen Ortschaften: „allerley verwüstet, zerschlagen, Bilder und Kirchengezierd, auch Psalterien und andere Bücher verbrannt, inventirt, Register, Rechnungen, Brieffe, Siegel (weggenommen) und die daselbsts angetroffenen Stifftspersonen in Handpflicht und gefänglich angenommen, durch eine fünfwöchige Einschliessung und Custodi zu unziemlich übergebener Resignation und Vorspruch gezwungen“. In derselben Weise wurde im April 1565 auch das in der Diözese Speier gelegene Stift Sinsheim gewaltsam reformiert und säkularisiert. …

Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass Friedrich III. hier im Unrecht war. …Er schärfte seinen Beamten zwar ein, überall "mit Bescheidenheit" zu verfahren. Trotzdem kam es bei der Zerstörung der Altäre, der Bilder, Messbücher u. s. f. zu den wüstesten Auftritten. Mit den widerstrebenden Mönchen und Kapitelsherren wurde nicht gerade sanft verfahren. Wir wissen nicht einmal, ob diese Uebergriffe und Schroffheiten die Missbilligung des Kurfürsten erfahren haben.

Das Vorgehen Friedrichs in den wormsischen und speierischen Gebieten ist uns aus der Klageschrift der Bischöfe bekannt. Ueber seine Massnahmen in Oppenheim, dessen Reformation er jetzt ins Auge fasste, sind wir durch die ausführliche Darstellung des Adam Gelphius und durch die Korrespondenz des Kurfürsten mit seinen Beamten in Oppenheim ausführlich und gut unterrichtet.

 

Friedrich in Oppenheim.

Samstag den 12. Mai 1565 traf Kurfürst Friedrich III. in der Reichspfandstadt Oppenheim ein. … In seiner Begleitung befanden sich: der Generalsuperintendent der Unterpfalz, Professor Dr. Kaspar Olevianus, ein Schüler Kalvins und Mitverfasser des Heidelberger Katechismus; der Licentiat der Jurisprudenz und Präsident des von Friedrich vor kurzem eingerichteten Kirchenrats, Wenzel Zuleger, ein Böhme; der Hofprediger M. Johann Willing; der Superintendent von Alzei, Georg Junior; Burkard Neuber, der künftige Pfarrer von Oppenheim, und ein Kanzleibeamter, der Hofsekretär Michael Molitor. Die Ankömmlinge wurden von den dortigen pfälzischen Beamten, dem Amtmann Dieterich Kämmerer, genannt von Dalberg, dem Landschreiber Bartholomeus Brechtel und den ortsanwesenden bürgerlichen Mitgliedern des Stadtrats, dem Bürgermeister und Ratsältesten … empfangen. …

Der Besuch des Kurfürsten ist den Oppenheimern überraschend gekommen. Von den adeligen Mitgliedern des Stadtrats war zur Zeit niemand in der Stadt. Sofort wurden eilende Boten ausgesandt, sie herbeizuholen. Erst am Abend des folgenden Tages (13. Mai) langten sie an: Friedrich von Flersheim, Friedrich d. Ä. von Dalberg, Wolf d. Ä. von Dalberg, Damm Knebel von Katzenelnbogen, Michael Haberkorn von Zolling und Wolf von Hattstein. Sie hatten auf ihren zum Teil weit entfernten Burgen geweilt. Durch ihr Fernbleiben waren sie um die Teilnahme an dem scharfen Examen herumgekommen, das Friedrich am Morgen des 13. mit seinen Oppenheimern angestellt hatte. Zwei ritterliche Ratspersonen, Hans Landschad von Steinach und Marsilius von Ingelheim, waren ausgeblieben. Offenbar aus guten Gründen! Sie beide waren Lehnsleute des Kurfürsten und als solche, wie sich später auswies, in einem Konflikt zwischen Pfandstadt und Pfandherrn in besonders prekärer Lage.

Der durchlauchtige Gast der Stadt nahm sein Absteigequartier nicht in der Burg, sondern bei seinem Amtmann im Dalberger Hof. Er lud den Rat für den Abend zu sich zu Gast und unterhielt sich mit seinen Tischgenossen in gnädigster, leutseligster Weise. Trotzdem hat den Oppenheimern nichts Gutes geahnt: wir wissen, dass der Rat in Voraussicht des Gewitters, das über die Stadt heraufzog, die goldenen und silbernen Abendmahlsgeräte aus der Kirche ins Rathaus hatte retten lassen.

Am Morgen des 13. Mai, es war ein Sonntag, besuchte der Kurfürst die Predigt in der Katharinenkirche. Der greise Pfarrer Georg Gallus predigte. Nach der Predigt liess Friedrich die beiden Prädikanten von S. Katharinen und S. Sebastian, Georg Gallus und Georg Beyer, die Schulmeister, an ihrer Spitze M. Friedrich Zorn aus Worms, die noch übrigen Kapitelsherren zu S. Katharinen, die „alten Stiftspersonen“ - es waren ihrer nur noch drei: die Vikare Peter Romhart und Andreas Dillinger und der Kanonikus Johann Baber -, ferner den Amtmann, die Zolldiener und den gesamten Rat zu sich in den Dalberger Hof entbieten.

Der "Redner" (Kaspar Olevian?) eröffnete die Versammlung mit einer kurzen Ansprache. … Als der Redner geendet hatte, ergriff der Kurfürst selbst das Wort, um mit dem bei den pfälzischen Kirchenvisitationen üblichen Examen der Kirchen- und Schuldiener zu beginnen. Der gelehrte Herr nahm sich zunächst den ältesten der beiden Pfarrer, den zu S. Katharinen, Georg Gallus, aufs Korn. Nahezu zwei Stunden dauerte die Disputation. Gallus hielt den Fragen Friedrichs so tapfer und unerschrocken stand, dass er, obschon er den Forderungen nicht genügte, seinem hohen Gegner Achtung abgewann. Die anderen, den zweiten Pfarrer, Georg Beyer, anscheinend ein Oppenheimer Stadtkind aus der gleichnamigen Ratsfamilie, und die Schulmeister überliess der Kurfürst seinen Räten, dem Dr. Olevianus und dem Hauptprediger Willing. Das Ergebnis der Prüfung war dasselbe wie bei Gallus: die Prüflinge wurden als nicht rechtgläubig befunden. Die gesamte Oppenheimer Geistlichkeit, Pfarrer und Schulmeister, hielt fest zu ihrem lutherischen Katechismus und bekannte sich offen zu der Abendmahlslehre, wie sie in der unveränderten Augsburger Konfession von 1530 enthalten war. Dafür schalt sie der Kurfürst Papisten und Werkheilige. Weniger als gegen die Lehre der so schwer und streng Geprüften liess sich gegen ihr Leben und ihre Amtsführung einwenden. Der Oppenheimer Chronist erzählt uns, dass ihr Wandel unsträflich erfunden wurde. …

Der Erfolg der Disputation im Dalberger Hof konnte bei dem streng ausgeprägten Standpunkt der beiden Parteien nicht zweifelhaft sein. Die schwächere musste das Feld räumen. Der Kurfürst entliess alle als „ungelehrte und ungeschickte und mehrentheils noch papistische“ Irrgläubige auf der Stelle ihres Dienstes „bis auf Bekehrung dieser itzt geschehener ihrer von dem NachtmahlBekänntnuss“ (=Abendmahl-Verständnis). Die Schulmeister, an ihrer Spitze der wackere Rektor M. Friedrich Zorn, der jetzt wieder in seine Vaterstadt Worms zurückkehrte, und den wir noch in diesem Jahre bei der Niederschrift seiner Wormser Chronik finden, teilten das Schicksal der Geistlichen.

Am Abend des 13. Mai trafen endlich die ritterlichen Mitglieder des Stadtrats mit dem Ritterbürgermeister Wolfgang d. Ä. von Dalberg in Oppenheim ein. Zu spät. Der Hauptsturm war vorbei. Das einzige, was der vergewaltigten Reichsstadt noch übrig blieb, war ein leerer Einspruch. In gemeinsamer Sitzung des Ritter- und Bürgerrats, die noch spät abends stattfand, ward darüber beschlossen. Am Morgen des 14. Mai begab sich der Stadtrat in corpore zum Kurfürsten in den Dalberger Hof. Auf ihren mündlich vorgetragenen Protest wurde ihnen keine Antwort. Sie übermittelten deshalb dem Kurfürsten die mitgebrachte schriftliche Supplikation, worin sie sich, wie zuvor mündlich, auf ihre königlichen und kaiserlichen Freiheiten, ja sogar darauf beriefen, dass Kurfürst Friedrich selbst diese Freiheiten gelegentlich ihrer Huldigung bestätigt und beschworen habe. All das fruchtete nichts. Der Pfandherr liess sich auf die Frage, ob er zur Reformation in Oppenheim berechtigt sei oder nicht, überhaupt nicht mehr ein. Er schob den ohnmächtigen Protest schweigend beiseite und benutzte seinerseits den Besuch des Stadtrats, um diesem eine Schrift, „articulsweise gestellt, wie es hinfürter in Religionssachen gehalten werden“ solle, einzuhändigen und einzuschärfen. Es sind dies die unten besprochenen Verbesserungspunkte.

Jeder weitere Widerstand war vergeblich. Zähneknirschend nahm der Rat die Artikel entgegen, zähneknirschend verpflichtete er sich, sie so schnell wie möglich bekannt zu geben. Da der Kurfürst am nächsten Tage in aller Frühe abreisen, vorher aber versichert sein wollte, dass sein Befehl der Gesamtbürgerschaft bekannt gegeben sei, wurden Vertreter der Bürger, je zwei oder drei aus jeder Zunft, für den 15. auf die früheste Tageszeit, um 4 Uhr morgens, zusammenbestellt. Vor versammeltem Ritter- und Bürgerrat ward ihnen da das verhängnisvolle Schriftstück vorgelesen. Kurze Zeit darauf ist Kurfürst Friedrich unter Zurücklassung einiger seiner Räte, die für die Ausführung der notwendigsten Vorschriften sorgen sollten, von Oppenheim abgereist.

Sein nächstes Ziel war das vor den Mauern der Stadt gelegene Nonnenkloster Marienkron. … Er befahl den Nonnen, sofort den katholischen Gottesdienst einzustellen. die Kutten abzulegen und alle Altäre und Bilder aus Kirche und Kloster wegzuschaffen. In ihrer Herzensangst versprachen die Frauen, dem strengen Befehle des Kurfürsten zu gehorsamen. Auch ihnen ward, wie den Oppenheimern, eine Ausfertigung der Artikel ausgehändigt, nach denen sie sich bei der Reformation ihres Klosters richten sollten.

Von Oppenheim und Marienkron scheint sich der Kurfürst nach Nierstein begeben zu haben. Die Niersteiner Artikel sind vom 16. Mai datiert. Ende Mai ist Friedrich wieder in Heidelberg.

Die Grundlagen zu einer neuen Ordnung der kirchlichen Verhältnisse in der Reichspfandschaft Oppenheim waren gelegt. Es galt jetzt nur noch die strenge Durchführung der Verbesserungspunkte zu überwachen. Auch den Gemeinden der Reichspfandschaft des Ingelheimer Grunds waren von dem Kurfürsten selbst oder durch die pfälzischen Beamten „Articul“ zugestellt worden. Für Nierstein , Dexheim und die Ortschaften des Ingelheimer Grunds wird ausdrücklich angeordnet, dass den Gemeinden jeder einzelne Punkt „vorgehalten“ und zugleich „churfürstlicher Pfaltz“, d. h. des Kurfürsten und Pfalzgrafen „gnedigs, veterlichs und christlichs Gemüth den Underthanen vermeldt“ werden solle. Die Verbesserungspunkte sind wohl am Sonntag von der Kanzel verlesen worden. Mit ihrem Vollzug war die Reformation in Oppenheim und Umgegend vollendet.

Die Verbesserungspunkte Kurfürst Friedrichs.

Wir besitzen vier Ausfertigungen der Verbesserungspunkte Friedrichs: je eine für die Stadt Oppenheim, für das Jungfrauenkloster Marienkron, für Nierstein nebst Dexheim und endlich für den Ingelheimer Grund, mithin für das gesamte Gebiet der Reichspfandschaft Oppenheim. In den Hauptpunkten stimmen sie untereinander überein. Die Artikel über die Aenderungen im Kultus und in der Lehre und die Vorschriften über die Handhabung der Kirchenzucht sind allen gemeinsam …

Bezeichnend für die Hinneigung Kurfürst Friedrichs zu der reformierten Auffassung ist sein Hass gegen alles, was an die „bäpstische Abgötterey“, an Bilderdienst erinnert. Der Grundzug des Gottesdienstes, wie ihn seine Kirchenordnung vorschreibt, ist so der der Einfachheit und Schmucklosigkeit. Die Formen des katholischen Kultus, die von den Lutheranern der Reichspfandschaft beibehalten waren, mussten jetzt fallen. Zur „bäpstischen Abgötterey“ rechnen die Artikel zunächst das Einläuten der horae canonicae, die „ täglichen Gezeiten“, als da sind: „Metten, Ave Maria, Prim, Terz, Sext, Non, Complet und Vesper“. Dass das Wetterläuten als besonders abergläubisch und heidnisch fortan zu unterlassen sei, verstand sich von selbst. Nur zweimal darf an den Werktagen die Glocke gezogen werden: des Morgens, wenn man zur Arbeit geht, und des Abends, wenn man von der Arbeit nach Hause kommt, oder, wie es in dem Artikel für Marienkron heisst, „zum Morgen- und Abendgebeth“. Die Predigt am Sonntag wird, wie dies auch heute noch vielerorts üblich ist, künftig durch drei Zeichen eingeläutet.

Für den Ingelheimer Grund ist noch besonders bestimmt, dass der lateinische Gesang aufzuhören habe. In den übrigen Gemeinden der Reichspfandschaft wird er schon früher unterlassen sein.

Streng und unerbittlich lauten vor allem die Artikel, die sich gegen die Bildwerke, die „Götzen“, in und ausserhalb der Kirchen richten. Gemälde, Sakramentshäuschen, gemalte Fenster, Taufsteine, hölzerne, steinerne, gemalte Kruzifixe: nichts fand Gnade vor den Augen des eifernden Pfandherrn. Sie sollten gründlich „abgethan“, zerschlagen, zerschnitten, unbrauchbar gemacht, verbrannt oder vergraben werden. „Flache“ Gemälde und Kruzifixe sind zu „verweisen“, d. h. zu übertünchen. Die Monstranzen und kostbaren Kelche sollen zertrümmert und dann eingeschmolzen werden. An die Stelle der Kelche war ein einfaches „Trinkgeschirr“, an Stelle der Altäre ein einfacher Tisch, „der gegen die Gemeinde gestellt“ werden sollte, in Gebrauch zu nehmen. Die Kreuze und Bildstöcke an den Strassen, die Feldkirchen und -kapellen gab die Verordnung der Vernichtung preis: sie sollten abgebrochen, das aus ihnen gewonnene Baumaterial den Kirchspielsinsassen überlassen werden.

Ein weiterer Absatz richtete sich gegen das Tragen von Messgewändern, Stolen, Alben und Chorröcken und „was ahn Kleidung oder andern zur äuserlichen Abgötterey gedient“. Wenn nicht in Oppenheim - in den Oppenheimer Artikeln fehlt diese Bestimmung -, so hat man demnach wenigstens noch in einzelnen Landgemeinden die kirchlichen Gewänder der katholischen Zeit beibehalten. Sie sollten jetzt durch Zerschneiden unbrauchbar gemacht, der Stoff aber, nachdem man alles Bildwerk, wie aufgenähte oder eingewebte Kreuze, weggeschnitten hatte, an arme Leute verteilt werden. Mit aller Schärfe wendet sich der Erlass gegen die in der lutherischen Lehre verharrenden Kirchendiener, Pfarrer, Diakone und Schulmeister. …

Alle die, bei denen noch Hoffnung vorhanden war, dass sie sich bekehrten, erhielten je ein Exemplar des Heidelberger Katechismus und der kurpfälzischen Kirchenordnung zugestellt. Die sollten sie unter Anrufung des heiligen Geistes fleissig studieren und, um ihre Schriftmässigkeit zu erproben, „gegen Gottes Wort“ halten. Lassen sich die ihres Amtes enthobenen Geistlichen so eines Besseren belehren, und erweisen sie ihre Bekehrung in einer Prüfung vor der Kommission, die Kurfürst Friedrich … zu Heidelberg eingesetzt hatte, so dürfen sie ihm, dem Landesherrn, zur Wiederanstellung empfohlen werden. Die Verstockten und Unbekehrbaren müssen das Land räumen. Den pfälzischen Schultheissen und Räten wird noch besonders aufgetragen, „uf die ungelehrte und widerspennige Kirchendiener fleissiges Aufsehens“ zu haben, „dass sie und er dem Volk keine Verwirrung machen“.

An Stelle der abgesetzten und suspendierten Pfarrer stellte der Kurfürst „eine Zeitlang“ andere „gute Kirchendiener“ an, denen die Einführung des Heidelberger Katechismus und der kurpfälzischen Kirchenordnung, vor allem aber die Spendung des heiligen Abendmahls „rein ohn menschlich Verfelschung“ mit Brotbrechen „nach Christi und der alten Kirche uraltem Gebrauch“ zur Auflage gemacht wurde. Auch in den Schulen darf künftig nur noch nach dem Heidelberger Katechismus gelehrt werden. Ausser den Schulkindern sollen ihn auch die jungen Leute und Knechte und Mägde auswendig lernen und in der Kinderlehre an den Sonntagnachmittagen vor der versammelten Gemeinde hersagen. Einfach und schmucklos, wie der Gottesdienst der pfälzischen Kirche, sollte fortan auch das Leben der Gemeindeglieder verlaufen.

Die „Ehe- und Polizei-Ordnung“ Friedrichs wurde durch die Artikel auch in der Reichspfandschaft Oppenheim eingeführt. Dass Fluchen, Schwören, Volltrinken - „voltrincken, wan einer gleich keine Unfleterey darbey anfangt“ - und andere Laster verboten waren, versteht sich von selbst. Das Tanzen wird als „Unzucht“ aufgefasst und „durchaus, auch bey Hochzeiten“, untersagt. Die Uebertreter dieser strengen Polizei-Ordnung, deren Durchführung bei dem lebenslustigen Volke der Rheinpfalz ihre Schwierigkeiten gehabt haben muss, verfielen einer schweren Ahndung. Die Liste aller schwarzen Schafe und eine Zusammenstellung der verhängten Strafen war jährlich beim Kurfürsten einzureichen.

Selbst der Kirchgang wurde unter Friedrichs patriarchalischem Regimente zum Zwange. Die kurfürstlichen Beamten hatten scharf darauf zu achten, dass niemand ohne triftigsten Grund die Kirche versäumte. Nicht nur im Morgengottesdienst, auch nachmittags, zur Kinderlehre, hatte männiglich, alt wie jung, zu erscheinen. Die Säumigen wurden gebüsst. Ausser den vorstehenden Bestimmungen, die für die ganze Pfalz Geltung hatten, enthalten unsere Artikel auch Sondervorschriften für die einzelnen Orte.

So wird im Ingelheimer Grund wie in Nierstein und Dexheim „das gemein säcklin, dorin man das almusen samblet“, also doch wohl der Klingelbeutel, eingeführt. So wird die Geistlichkeit des Ingelheimer Grunds dem Inspektor zu Wolfsheim unterstellt. …

Für den Ingelheimer Grund wurde das Erheben und die Verwendung der kirchlichen Gefälle und das Verhältnis der Kollatoren in einem Schreiben des Kurfürsten vom 15. August 1565 geregelt. …

 

Die Durchführung der Reformen Friedrichs III. in Stadt und Reichspfandschaft Oppenheim.

Die Verbesserungspunkte Friedrichs III. liessen sich, trotzdem der Kurfürst selbst drängte, natürlich nicht mit einem Schlage durchsetzen. Die Zerstörung der „Götzen“ freilich ist rasch und gründlich besorgt worden. …

Am Nachmittag des 15. fielen die Räte des Kurfürsten mit ihren „bestellten Werckleuthen" in die S. Katharinenkirche. Das Zerstörungswerk begann. Es wurden „die Bilder alle, so darinnen, gestürmet und zerschlagen, die Altar und alte bey den Papisten gebräuchlichen Sakraments-Häusslein abgerissen, die Messgewändt, Chor-Cappen, Bücher und alles, so sie an der Want noch funden, zu Stücken“ zerschnitten. „Insonderheit aber haben sie keinem Bildnuss heftiger und mit mehrerem Eiffer zugesetzt dann den Creuzen und Bildnussen Christi, welche sie und Andere mit sonderem Fleiss und Ohnbescheidenheit zerschmettert.“

Die pfälzischen Räte beteiligten sich persönlich an dem Zerstörungswerke. Gelphius behauptet sogar, dass sie die von ihnen angestellten Handwerker an Eifer übertroffen hätten. Die Stimmung der Oppenheimer Beamten war geteilt. Einige mögen Gefallen an der Verwüstung gefunden haben, meint Gelphius, anderen hat sie sicher missfallen: nur haben sie sich gehütet, ihr Missfallen kund zu geben. Die Kirchengeschworenen, unter ihnen unser Adam Gelphius selbst, haben versucht zu retten, was noch zu retten war. Die Orgel und die gemalten Fenster wurden dank ihrer Fürsprache nicht zerschlagen, „wie sie dann Lust hatten“. Doch mussten sich die Oppenheimer verpflichten, „dass man die Bilder an beyden Orgeln gemahlet ausstilgen wolle und mit einer anderen Farbe anstreichen, welches auch folgends geschehen.“ Durch einen glücklichen Zufall ist ein Teil der damals vor dem Vandalismus der Kirchenräte Friedrichs III. geretteten Fenster bis auf unsere Zeit gekommen. Am Nachmittag des 15. Mai. wurde dann das Bildwerk in der Barfüsser- und der S. Sebastianskirche zerstört, am folgenden Tag das Kloster Marienkron heimgesucht. …

Hat Friedrich auch befohlen, dass von seinen Beamten überall „mit Bescheidenheit“ verfahren würde, so ist er trotzdem von der Mitschuld an den Ausschreitungen seiner Beamten nicht frei zu sprechen. Wir hören nicht, dass er die Uebergriffe seiner Leute bestraft oder auch nur bedauert hätte. …

Für die zerstörten Altäre in der Katharinenkirche schickte der Kurfürst selbst zum Ersatz einen einfach gezimmerten Tisch „zum Nachtmahl“. Er sollte unter die Kanzel „den langen Weg“ gestellt werden. „Bänklein“ für die Mägdlein und für die Schule, die hier ihren Katechismus aufsagen mussten, wurden im Chor aufgestellt. Nach dem Muster des vom Kurfürsten gesandten wurde ein Tisch für die Barfüsserkirche angefertigt. …

Die beiden Kirchendiener in Nierstein, wohin sich der Kurfürst am 16. Mai begeben haben mag, bestanden die Prüfung besser als ihre Oppenheimer Amtsgenossen und blieben im Amte. Auch der Niersteiner Schulmeister konnte seinen Dienst weiter versehen.

In „Winternheim, Nieder- und Oberingelheim musste der lutherisch gesinnte Prädikant vor dem reformierten weichen. „Der Daniel zu Ober-Ingelheim“, schreibt der Kurfürst an den dortigen Schultheis, „so abgeschafft“, soll „nit lenger allda geduldet werde(n), zum lengsten nit uber 14 Tag. Auch da ehr, wie er pflegt zu tuhen, schenden (schimpfen) und schmehen wurde'', solle er zur Verantwortung gezogen werden. In Nieder-Ingelheim hatte der lutherische Prädikant D. Petrus aus dem Pfarrhause alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Ja, noch mehr: er hatte sogar die Schlösser an den Türen abgerissen. Dass er vor seinem Abzuge die Früchte auf den Pfarräckern abgeerntet, dass er den Wein aus dem Keller weggeschafft hatte, geht aus der Klage seines reformierten Nachfolgers hervor, der so empfindlich in seiner Kompetenz gekürzt wurde. Friedrich III. sagte ihm Abhilfe zu und befahl seinem Amtmann, den abgezogenen Pfarrer zur Erstattung des Schadens anzuhalten. An die Stelle der Vertriebenen wurden vom Kurfürsten im Laufe des Sommers und Herbstes neue reformierte Prediger aus Heidelberg gesandt. …

In Nieder-Ingelheim übernahm bereits Ende Juni ein reformierter Pfarrer namens Josias Stinglius (Stingel) die Seelsorge. Der Name seines Ober-Ingelheimer Amtsgenossen, der auf den schlimmen Daniel folgte, wird nicht genannt. Oder ist Ober-Ingelheim damals als Filial von Nieder-Ingelheim aus versehen worden? Für Winternheim wurde Hans Pargk (?) am 4. Dezember 1565 ernannt. Die Aufsicht über sie alle wurde dem Pfarrer von Wolfsheim, Engelbert Faber, als Inspektor übertragen. Faber erhielt von Friedrich den Auftrag, hier und da einmal in Nieder-Ingelheim, dem Hauptort (Irrtum von Dieterich) des Ingelheimer Grundes, zu predigen, Konferenzen der Pfarrer seines Sprengels abzuhalten, seine Untergebenen zeitweise zu visitieren und die neuernannten Pfarrer in ihr Amt einzuführen. Als Mitprediger, dem zugleich die Amtsgeschäfte in dem Filial übertragen waren, wirkte in Nieder-Ingelheim neben Josias Stinglius der am 30. Juni dorthin abgeordnete Johann Rosenberger, ein studierter Schulmeister. Neben seiner Schule hatte er noch den Gottesdienst im „ Saal“, d. h. in der dort belegenen Kapelle der uralten Kaiserpfalz zu Ober-Ingelheim (Irrtum von Dieterich), zu versehen. Da sein Schulhaus baufällig war, befahl der Kurfürst, ihm einstweilen eine Wohnung im „Saal“ selbst einzuräumen. …

Ein kurzer Kommentar sei dem Autor gestattet: Wie man sieht, gab es kulturlose Bilderstürmerei aus tiefster religiöser Überzeugung, die kein Historiker Friedrich abspricht, auch im christlichen Abendland.

Das mehrfache Hin und Her der Konfessionen führte zu einer mehrfchen Auswechslung des religiösen und akademischen Personals und außerdem zu einer Verbürgerlichung der Pfälzer Verwaltung.

Seit dieser Zeit war der Ingelheimer Grund - bis auf sieben wieder lutherische Jahre unter KF Ludwig VI (1576-1583) - für calvinistisch-reformiert, bis der Dreißigjährige Krieg zuerst eine Rekatholisierung (unter Kaiserlich-bayrischer Herrschaft) brachte, dann die Wiederzulassung der Lutheraner (unter schwedischer Besatzung) und danach wieder die Bevorzugung des Katholizismus durch die französischen Besatzer.

Zu den Articul für den Ingelheimer Grund

Zu den Problemen bei der Klosteraufhebung

 

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Gs; erstmals: 04.06.16; Stand: 21.03.21