Autor: Hartmut Geissler
Leicht gekürzt aus: Dieterich, S. 310-312
Pfalzgraf Ottheinrich von Pfalz-Neuburg [1556-1559] war ein überzeugter, eifriger Lutheraner … Eine von ihm angestellte Kirchenvisitation ergab ein höchst unerfreuliches Bild der kirchlichen Zustände in seinen Erblanden. Die Geistlichkeit war verwildert und ungebildet, die Klöster verödet, das Volk noch vielfach tief im Aberglauben befangen, das religiöse Leben fast ganz ertötet.
Ottheinrich … führte zunächst seine Pfalz-Neuburger Kirchenordnung ein, befahl, die Bilder und Altäre aus den Kirchen wegzutun und suchte das sittliche Leben seiner Untertanen durch strenge Verordnungen zu heben. Vor allem aber sorgte er für eine bessere Ausbildung der Pfarrer. Im Jahre 1557 schrieb er auch an den Rat der Pfandstadt Oppenheim und befahl ihm, die von ihm verordneten Reformen gleichfalls durchzuführen. Er überschickte ihm ein Exemplar seiner Kirchenordnung „mit christ- und ernstlicher Erinnerung, dieselbe anzunehmen und alle papistischen und abgöttischen Zeremonien, als Messe lesen, Vigil singen, Heilige anrufen, Kerzen und Kräuter weihen, Wallfahrten laufen, Prozession halten und was viel Abgöttisches mehr ist, abzuschaffen und die Kirch mit Prädikanten, so einer gesunden und in Gottes Wort gegründeten Lehr und unsträflichen Lebens, als in heiliger Schrift, Ausgsburger Konfession und ihrer Gnaden Kirchenordnung geordnet, zu versehn“.
Der Rat von Oppenheim protestierte und verweigerte die Ausführung des kurfürstlichen Befehls. Als Grund dafür gibt … Adam Gelphius an, dass die Ratsmitglieder in ihrer Mehrzahl noch katholisch („papistisch“) gewesen seien und an der Religion, in der sie von Jugend auf erzogen waren „und gewohnet“, festgehalten hätten. Wenn wir bedenken, dass die Hälfte des Rats aus den benachbarten reichsritterlichen Familien der Burgmannen genommen war, von denen unter Friedrich III. noch die Mehrzahl als Anhänger der alten Religion galt, so werden wir die Angabe des Gelphius nicht bezweifeln. In dem Protest beriefen sich die Oppenheimer auf ihre alten Privilegien und Freiheiten. Sie haben also ihren Charakter als Reichsstädter geltend gemacht und sich sicher auch auf den oben besprochenen Artikel des Augsburger Religionsfriedens berufen, der ihnen jede Aenderung des Zustandes vom Jahre 1555 verbot.
Diese Reklamation half ihnen wenigstens soviel, dass der Kurfürst die verlangte Reformation nicht selbst oder durch seine Beamten durchführte, sondern alles dem Rate überliess. Er bestand dabei nur soweit auf seinem Willen, dass die Stadt seine Kirchenordnung annehmen und einige Prädikanten Augsburgischer Konfession bestellen sollte. Jetzt gab der Rat notgedrungen nach und führte die verlangte Reform, allerdings in glimpflichster Weise und so durch, dass man ihm nicht leicht eine Verletzung des Augsburger Friedens vorwerfen konnte. Er verstand sich dazu, einige lutherische Prädikanten in städtischen Dienst zu nehmen, hütete sich aber wohl, jemanden zu dem neuen Glauben zu zwingen …
Ein weiteres Gebot Ottheinrichs war den Städtern besonders eingeschärft worden. Es betraf den unsittlichen Lebenswandel der „alten Geistlichen“. Der Rat sollte dafür sorgen, dass diese ihre Konkubinen entweder abschafften oder heirateten. … Die Geistlichkeit trotzte: „dann die Pfaffen nichtsdestoweniger die Huren bei sich behalten ... welches also ist die Wahrheit, ob es wohl nicht fast rühmlich ist, nachzureden…
So weit Dieterich.
Wie viel davon auch im Ingelheimer Grund durchgeführt wurde, darüber gibt es keine Nachrichten. Aus der Tatsache jedoch, dass einige Jahre später lutherische Prediger aus Ingelheim vertrieben wurden, als Ottheinrichs Nachfolger Friedrich III. 1565 mit harter Hand den Calvinismus einführte, kann man schließen, dass der Beginn einer lutherischen Reformation auch in Ingelheim gemacht worden war. Die Messe wurde jedoch weiterhin auf Lateinisch gesungen, was gewiss nicht im Sinne Luthers war (siehe Friedrichs calvinistische Reformation).
Gs, erstmals: 03.06.16; Stand: 21.03.21