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Die Huldigung des Ingelheimer Grundes für den Kurfürsten Ludwig VI., "den Friedfertigen", Juli 1577

 

Autor: Hartmut Geißler

Zitat aus: Andreas Saalwächter, BIG 9 (1958), S. 53/54
(Erstveröffentlichung in der Ingelheimer Zeitung 1937, 16. November)

 

Der 11. Juli 1577 war für die Einwohner des Ingelheimer Grundes ein festlicher Tag. Der Kurfürst Ludwig VI. von der Pfalz (1576-1583), bekannt als der Friedfertige, war seinem Vater Friedrich III. (1559-1576), dem Reformator der Pfalz, in der Regierung gefolgt und wurde in Ober-Ingelheim zur Huldigung erwartet. Nicht um einen privaten Besuch des Landesherrn handelte es sich, sondern um einen Staatsakt, durch den die Gewohnheitsrechte des Ingelheimer Grundes, die sogenannten „Privilegien“, bestätigt werden sollten. Wie im diplomatischen Gebrauche der Gegenwert waren Urkunden auszutauschen. Erst wenn der neue Kurfürst das von seinem Vorgänger respektierte Gewohnheitsrecht durch eine förmliche Urkunde verbrieft hatte, brauchte ihm die Vertretung des Ingelheimer Grundes zu huldigen und einen entsprechenden Revers auszustellen. Dieser Rechtszustand begann mit der Verpfändung des reichsunmittelbaren „Grundes“, zu dem beide Ingelheim, Groß-Winternheim, Schwabenheim a. d. S., Bubenheim, Elsheim, Frei-Weinheim und Wackernheim zählten, an die kurpfälzischen Kurfürsten im .Jahre 1378, um erst mit der Besitzergreifung des linken Rheinufers durch Frankreich zu Ende des 18. Jahrhunderts aufzuhören. Für den beschriebenen Zeitraum haben sich in ziemlicher Vollständigkeit die ausgetauschten Urkunden erhalten. Teilweise ersetzen alte Abschriften die Originale. Weniger ergiebig sind im allgemeinen die Nachtrichten über die örtlichen Vorgänge bei den einzelnen Huldigungen.

Über diejenige des Jahres 1577 und die sich daran anschließenden Festlichkeiten liegen zwei Berichte vor, die ein anschauliches Bild von der Huldigung und auch von den Zechkosten geben. Einen dieser Berichte gebe ich nachstehend in gekürzter Form und in leicht gebesserter Schreibung.

„Uff Donnerstag, den 11. Juli anno 1577 ist Pfalzgraf Ludwig, Kurfürst, mein gnediger Herr, um 5. Uhr nachmittags von Creutznach zu Ober-Ingelheim in Beußers Haus (gemeint ist Johann Karl Buser von Ingelheim, gestorben kinderlos 1580 als letzter seines Stammes) im Ingelheimer Grund Huldigung zu empfangen, ankummen. Von den Unterthanen beider Ingelheim, Winternheim und zum Teil mit Schwabenheim in Rüstung, Pfeifen und Trommeln, mit fliehenden Reichsfendtlein, von der Ohrenbrücker Pforten uff beiden Seiten gestanden bis ans Losament [=Logement - Unterkunft; Gs] empfangen worden. Nachfolgends zu der Ohrenbrücker Pforten aus- und die Allergassen inzogen, auf den Kirchhof allda, den Unterthanen wieder abgedankt, ein Jeder wieder nach Haus zu ziehen, mit Meldung, darin jeder Flecken den Ihrigen etwas zu vertrinken geben wolt, soll zu ihren guten Willen stehen.“

Am nächsten Tage morgens zwischen 7 und 8 Uhr ritt der Kurfürst mit der Ritterschaft, worunter die in der Adelsgelübde vereinigten Edelleute des Ingelheimer Grundes zu verstehen sind, in die Ober-Ingelheimer Kirche, wo der Heidelberger Hofprediger die Predigt hielt. Nach dem Kirchgang nahm der Kurfürst die Huldigung der Bevölkerung „unter der Linden“ in Person entgegen. (Anscheinend stand damals auf dem Kirchplatze [oder auf dem Marktplat; Gs] zu Ober-Ingelheim eine größere Linde.)

Ein Doktor Föllmann tat zu Ehren des Kurfürsten einen „Sermon“ und dankte ihm für sein Erscheinen. Anschließend nahm der Edelmann Bernhard Horneck von Weinheim … als Sprecher des Schöffenstuhles das Wort, beklagte das Ableben des bisherigen Regenten und wünschte dem Nachfolger, dem anwesenden Kurfürsten Ludwig VI.,Gesundheit und langes Leben.

Nach der Ansprache Hornecks geschah die Huldigung. Die Schöffen des Gerichts begannen damit, worauf die Unterschultheißen von beiden Ingelheim und von anderen Orten folgten. Nach Beendigung der, Huldigung las der alte Sekretarius Johann Hofmann, über dessen Persönlichkeit mir nichts weiteres bekannt ist, den von den Vertretern des Ingelheimer Grundes zu leistenden Eid vor.

Zum Abschluß der Handlung kredenzte der schon erwähnte Bernhard Horneck namens der Schöffen dem Kurfürsten einen Ehrentrunk. Am Freitag, den 13. Juli 1577 morgens zwischen 11 und 12 Uhr reiste der Kurfürst nach Oppenheim ab. Der Weg führte über den Mainzer Berg. Die Ritterschaft und die aufgebotene Ingelheimer Landmiliz gaben dem Kurfürsten ein Stück Weges das Geleite. „Hat man Ihrer Churfürstlichen Gnaden mit Pfeifen und Trommeln sampt fliegenden Fähnlein in der Rüstung wieder das Geleit geben bis uff den Berg. Da hat der Churfürst mit allen seinen Reitern in einem Ring gehalten, bis die Schützen los geschossen, daruff er fortgezogen. Hat man den Schützen, als sie wiederum hier einkommen, auf jedem Tisch ein Viertel Wein geben und dazwischen auch Bier, und seind ihr 20 Disch gewesen; thut ein Ohm Wein und hat das Fudermaß golten achtzig Gulden schlecht. Hat Bernhard Horneck ein Stück und Velten Holtz ein Stück geben.“

 

Erläuterungen und Kommentare:

"Losament": Logement - Unterkunft; der beschriebene erste (kurze) Weg reichte vom Ohrenbrücker Tor die Edelgasse hinauf bis in die Stiegelgasse, wo der Busersche Hof im Bereich der heutigen Hausnummer 65 lag.

Ludwig VI. favorisierte im Gegensatz zu seinem Vater und seinem Bruder Johann Casimir, dem Regenten für den noch minderjährigen Sohn Friedrich VI., nicht den Calvinismus, sondern förderte wieder in seinen wenigen Regierungsjahren (1576-1583) die lutherische Konfession. Es mag daher durchaus sein, dass der Ingelheimer Adel ihn mit großen Hoffnungen empfangen hat und dass vor der Huldigung ausführlich über die religiösen Dinge, z.B. über reformierte oder lutherische Prediger verhandelt wurde. Denn insbesondere der Adel war von Friedrichs III. strenger calvinistischer Reformation nicht gerade angetan, die u.a. mit der Auflösung des Nonnenklosters Engelthal verbunden war.

Die Huldigung am folgenden Tag fand in und bei der Burgkirche statt.

Reutlinger berichtet aus den 1580er Jahren, dass sich keine Adligen mehr bereit fanden, die Stellen der Schultheißen in Ober- und Nieder-Ingelheim zu besetzen, nachdem diese gestorben waren. Dass Ludwig im Hof des Johann Karl Buser an der Stiegelgasse Quartier nahm, könnte darauf hinweisen, dass entweder er der letzte adlige Schultheiß von Ober-Ingelheim war; er starb, wie Saalwächter berichtet, kinderlos, und zwar am 12. Oktober 1580. Oder es war der Sprecher der (adligen) Schöffen, Bernhard Horneck von Weinheim.

Die Berichte, aus denen Saalwächter hier zitiert, dürften im Darmstädter Archiv aufbewahrt worden und 1944 mit verbrannt sein. Saalwächter gab für diesen Zeitungsartikel leider keine genauen Quellen an. Krämer notierte in seinen Regesten von 1919 unter dem 16. Juli 1577 eine Aufstellung der Kosten dieser Huldigung, die er noch im Darmstädter Staats-Archiv fand, veröffentlicht in den Quartalblättern des Hist. Vereins für das Großherzogtum Hessen 1877 (oder 1879; korrigierte Ziffer), S. 36 (Wyss).

 

Gs, erstmals: 08.03.15; Stand: 11.02.24