Autor: Hartmut Geißler
nach Burmeister 1963
Obwohl sich Sebastian Münster auch in der Kosmographie sehr um Objektivität bemühte und sich aus den Streitigkeiten der Reformationszeit herausgehalten hat, hat ihn diese Haltung nicht vor kritischen Nachforschungen seitens der katholischen Kirche und der Indizierung vieler seiner Bücher geschützt. Burmeister schreibt dazu (S. 161/162):
"Dass Münsters Kosmographie trotzdem der Reinigung durch die Inquisition bedurfte, dafür müssen vor allem seine auf den Index gesetzten rabbinischen Schriften verantwortlich gemacht werden.
1569 schrieb der Erzbischof von Utrecht Friedrich Schenk von Toutenborch ein Gutachten für Herzog Alba, in dem er sich positiv für die Kosmographie entschied, die kaum „Unkatholisches enthielte“. Auch das wenige Jahre später von dem Zensor Arias Montanus in Antwerpen verfasste Gutachten nennt die Kosmographie „opera utile nelle sua materia“. Durch diese Formalität wurden auch die katholischen Autoritäten endlich dem Buch gerecht, das nun auch mit deren Billigung gedruckt und gelesen wurde.
Um die Unverfänglichkeit des Buches zu dokumentieren, womit man aber auch der tatsächlichen Objektivität Münsters gerecht wurde, setzte man auf den Titel der lateinischen Ausgabe von 1572: „sine omni cuiuscumque molestia vel laesione“.
Über das, was die katholische Zensur 1572 gestrichen hatte, hat Thomas Crenius in seinen Animadversiones Philologicae et Historicae einen Überblick gegeben, indem er einen sorgsamen Vergleich der zensierten und nichtzensierten Ausgaben durchführte. Insgesamt handelt es sich etwa um 50 Beanstandungen, z. T. lächerlich geringfügiger Art. So wurde etwa ein „Calvinus“ in ein „studiosus quidam“ verbessert.
Das Verzeichnis des Crenius ist auch praktisch benutzt worden. So hat ein in der Universitätsbibliothek Leipzig aufbewahrtes Exemplar der zensierten Kosmographie von 1572 am Ende ein handschriftliches Verzeichnis der Stellen des Crenius angeheftet.
Umgekehrt findet man z. B. in der Stadtbibliothek Mainz ein nichtzensiertes Exemplar der Kosmographie von 1559, das nach dem Vorbild der zensierten Ausgabe von 1572 gereinigt wurde, indem man alle anstössigen Stellen bis zur Unkenntlichkeit durchstrich oder mit dickem Papier überklebte. Das Exemplar kam in die Mainzer Stadtbibliothek aus der Bibliothek der Jesuiten [in Ingelheim; vielleicht].
Wie man 1572 Calvinus gestrichen hatte, wurde auch der Name Münsters überall gestrichen. Die Mainzer Jesuiten gingen also weit über die offizielle Zensur hinaus. Dasselbe kann man auch an zensierten Büchern beobachten, in denen der Name Münsters nachträglich handschriftlich gestrichen wurde (StB Mainz, Italienische Kosmographie, Köln 1575)..."
Im Besitz des Museums bei der Kaiserpfalz befindet sich auch eine italienische Ausgabe der Kosmographie von 1575, erschienen in Köln. Unter ihrem Titel wurde der Autor Sebastian Münster durchgestrichen, wenn auch nur mit einem dünnen Striche, der den Namen dennoch erkennen lässt, und es wurde vermerkt:
"correta & repurgata, per gli Censori Ecclesiastici, & quei del Rei Cattolico nelli paesi bassi, & per l'Inquisitore di Venetia", d.h. korrigiert und gereinigt durch die kirchlichen Zensoren, sowohl die des Katholischen Königs (von Spanien) in den Niederlanden als auch durch den Inquisitor von Venedig; Gs.