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Die Dorfordnung von Frei-Weinheim um 1600


Autor: Hartmut Geißler

Das folgende Zitat stammt aus Saalwächter, Andreas: Die Namen von Frei-Weinheim (=BIG 13) 1962, S. 203-215

"Abdruck nach einer Ausfertigung im Besitze des verstorbenen Landwirts Herrn Friedrich Schnell II. in Frei-Weinheim.

Entstehungszeit kurz vor oder nach dem Jahre 1600. Wahrscheinlich ging der heutigen Vorlage eine ältere Fassung des 16. Jahrhunderts voraus. Die ersten fünf Artikel der Dorfordnung fehlen in der benutzten Handschrift. Einige Textstellen sind zerstört und durch Punkte ersetzt. Die Handschrift bestand ursprünglich aus zehn Folioblättern, von denen acht Blätter erhalten sind. Das erste Blatt enthielt die fehlenden fünf ersten Artikel. Das Schlußblatt fehlt ebenfalls.

Erstmaliger Abdruck in "Rheinischer Volksbote" zu Gau-Algesheim (Buchdruckerei Reidel), 1920, 52. Jahrgang: Montag, 11. Oktober, Nr. 121; Mittwoch, 20. Oktober, Nr. 125; Freitag, 29. Oktober, Nr. 129.

VI.

Gleicher Gestalt hat es den Brauch von alters hero in dieser gemein Frey-Weinheim, wan Haußsöhn oder Töchter sich verheyrathen, undt alhier verpleiben und wohnen wollen, sind sie den halben theil des Einzugs ... den Fremden, zu geben schuldig, ohne einzige Eindrag oder . . . Hindernuß.

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VII.

Die Haußsöhne, die sich ebenmeßig in den Ehestand begeben und alhier wohnen wollen, und sich in der Burgerschaft begeben, sind sowohl alß die Frembden einen ledern Eimer zu stellen schuldig, deßgleichen auch ein Burgerssohn, wie auch ein Fremder dem Burgermeister einen Gulden zu der Schiffung zu erlegen, welchen der Burgermeister der Gemein zu verrechnen hat.

VIII.

Eß ist auch Herkommens alhier zu Weinheim, daß wan schon Mann oder Weib auß dem Ingelheimer Grundt, anhero ziehen wollen, so wird es keinem zu gelassen, er erlege dan seinen Einzug, gleich andern Außländischen, es sei gleich Weib- oder Manßperson, Sohn oder Tochter, und wan ein Manßperson einzeugt, so gibt er neben dem Einzuggelt einen ledirn Eimer, und einen Gulden zur Schiffung, aber des Geburtsbriefs und Abscheidts ist er uberhoben.

IX.

Dieweil dieses Dorf Weinheim nicht in den Ingelheimer Grund gehöret, sondern Frei-Weinheim genandt, so hat es auch diese Freyheit von alters hero, daß sie in keinen Außschuß gezogen werden, noch niemahlen darin gezogen worden sind, deßwegen auch ungefehrt, und aller Grundtsbeschwerden befreiet.

X.

Frey-Weinheim gehöret nicht in den Ingelheimer Grundt, sondern ist deßen gefreyt, und sind Chur-Pfalz eygene Leuth, geben dahero jährlich und alle Jahr besonders in der Schaffnerey Nieder-Ingelheim anderthalben . . . Leibbeth, welche von unerdencklichen Jahren hero gereicht werden, derenthalben die gesambte Grundsflecken keinen Anspruch an sie haben.

XI.

Unkosten so in Malefitz-Sachsen durch das adlige Rittergericht und Grundräthen angewendet werden, damit haben die Frey-Weinheimer nichts zu thun, auch ander Unkosten etwas zu erlegen, im geringsten nichts schuldig.

XII.

Wann dergleichen von dem Ampt Oppenheim, adligen Oberschultheißen und Scheffen, wie auch durch die Grundräthe, Nahmens unser gnädigsten Herrschaft, ungebotten Dingstag zu Nieder-Ingelheim gehalten wird, was an Unkosten daselbsten uffgehet, daran sie nichts

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zu zahlen schuldig, und wan schon dergleichen Verbrechen oder Geschäfften weren, sie sind so leicht oder wichtig alß sie wollen, so hat kein Schultheiß oder Burgermeister sölche zum Gebott oder Verbott zu bringen, sondern wan Verbrecher bey handen, und Scheltwort und dergleichen vorgefallen weren, so wird es dem Ampt Oppenheim in Henden gestellet. Wan aber geringe Sachen vorhanden, so nicht zu wichtig, soll ein Schultheiß Macht haben, sölches zu vergleichen, doch der Herrschaft Straf vorbehalten; dahe aber Scheltwort oder Schlägereien vorgangen, der Schultheiß aber die Parteien des Verbrechens halben nicht vergleichen und überein kommen könte, alßdann hat er den Schultheißen von Nieder-Ingelheim neben den Burgermeister und Raht umb Hülf anzusprechen, die Ihme die hülfliche Handt zu erweisen, die streitige Sachen zu entscheiden, den Verbrecher aber mit einer Gelt- oder Thurmstraf anzusehen haben, auch mit gueter Burgschaft, den Verbrecher anhalten, derogestellt, wan er den Thurm- oder Geltstraf ruhen wolte, man sich wüsste zu erholen. Darbenebens wan der Ingelheimer Grund ihre Befreiung oder Confirmation bei dem K ... auszulösen, haben sie an sölchen Kösten nichts zu zahlen, ingleichen auch an den Huldigungskösten, so im Grund vorgenommen werden, nichts daran zu geben.

XIII.

1. Es werden jährlich und alle Jahr, wan uff Martini Rechnung gehalten wird, die zween Schützen, so das Jahr Schützen gewesen, ihres Ampts entledigt, und zween andere angenohmen, und nach deme sie vorgestellet worden, so sind sie schuldig einen offentlichen Eyd zu schweren, zu Gott und dem heiligen Evangelio, daß sie zum ersten ruhen sollen, was ruhbar ist, darinnen nicht ansehen Vatter, Mutter, Bruder, Schwester, Gevatterschaft, Freund- noch Feindschaft, und seinem andern Gesellen dem Schützen zu erkennen geben, alß dan nach Erkenntniß die Ruhe vorzubringen, fernes sollen die Schützen vleißige Acht uff die Dämm geben, darmit wan das Wasser wechst und auslauffen wil, oder wiederumb felt, dieselbe nach Gelegenheit uff und zu machen, und uff den Fall sie wegen Größe des Gewässers übereilet wurden, als dan solle Jemand auß der Gemein ihnen zugegeben werden, und zu hülf kommen. Was aber durch die Schützen verwahrloset wird, sollen sie der Gebühr nach mit dem Thurm oder sönsten gestraft werden, und wan sie die Dämme zweimahl zumachen, so sollen sie eine Maß Wein und für einen Albus Brodt haben.

2. Sollen die Schützen ihre Gänge zu Tag und zu Nacht wohl versehen, daß durch denen Pferden, so in der Weidt gehen, keinen Schaden in den Fruchten geschehe, und wan sie in Schaden gefunden werden, zur Ruhe bringen, und nach Erkenntniß zu strafen.

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3. Wird einem Schützen bei Aydtspflichten offerlegt, daß er nicht uff der Gassen, oder bei den Leuthen noch im Weinkeller gesehen werde, sondern seines Eyds wohl in Acht nehmen bei hoher Straf.

4. So soll auch kein Schütz Macht haben über Felt zu gehen, noch aus der Gemarkung zu pleiben, ohne Erlaubnis, welcher dar uber thut, der soll mit einer Straf wohl angesehen werden.

5. So soll auch kein Schütz in einem Wirtshaus zu keiner Gesellschaft sich setzen, und Wein trinken nach seinem Belieben, sondern ein Echtmaß trinken und dan wieder fort gehen; und so es sich begeben solte, daß ein Schütz zu Kindttauf oder Begräbnis gehen wolte, soll er nicht Macht haben. Er habe dann Erlaubniß vom Schultheißen oder Burgermeister; und dem nach das Schützenampt in der Gemein umb gehet und zween neben einander wohnen (die weil das Ampt den Heisern nach umb gehet) und das gemeine Fahr an ihnen sein wurde, wird ihnen nicht zugelaßen, daß sie das Fahr alle beide versehen sollen, sondern einer soll sein Fahr vertauschen, der andere desto vleißigere Uffsicht in der Gemarckung haben, welcher darüber thut, soll mit gebührlicher Straf angesehen werden.

6. Eß soll auch kein Schütz, er sey wer er wolle, keine Schiffahrt an sich ziehen, es sei nach Mayntz oder Bingen. Es wehre dan Sach, daß einer einen anderen durchs Jahr in seine Stell bestelle, darmit die Gemarckung versehen und die Gemein zufrieden ist, alsdann soll ihme sölches zugelassen werden.

7. Ferner hat auch kein Schütz Macht vor sich selber, daß er in Feld, bei seinem Gesinde oder bei seinem Weib gehe, und viel Geschwetz zu halten, noch im geringsten im Walt, Holz, Graß, Früchte uffzuheben, wie auch neben seinem Pferdt nicht aus und ein zu gehen oder im Acker Hand anzulegen, etwas zu thun, und welcher daruber befunden wird, solle in der Straf verfallen sein. Insonderheit ist es einem Schützen erlaubt, und nicht allen beiden zugleich, daß man es sehen solte, eine Stund in seinen Güthern, in Krautfeldern oder im Acker zu arbeiten, und dan vleißig ... Gang thue, damit keine Klage vorfalle, bei Straf der Gefängniß oder eine gewisse Geltstraf.

8. Der beiden Schützen Lohn ist, was gegen dem Sand hinunder ligt, an den Schützen weg unden herauf die Anstößer, neben dieser Wiesen, von einem jeden besamten Acker ein Schützegarbe zu nehmen.

XIV.

Bräuchlich ist es auch von undenklichen Jahren hero, auch jeder Zeit in Ordnung gehalten, und nimmer abgehen solle, daß ein jedes Hauß zu Frey-Weinheim einen Schützen geben muß, und gehet das

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Schützenampt richtig herumb, und wird keines frei gelassen, es wehre dan Sach, daß es ausgestorben were, jedoch müssen dessen Erben mit der Gemein einen Willen machen, und ist das alte Herkommen, wan das Schützenampt herumb gehet, und an des Schultheißen Hauß kömpt, in welchem er wohnet, daß er des Schützenampts befreiet sein solle. Darbeneben hat es herkömmlichen Brauch, daß einer, er sei auch so hohen Stands und Würden, als er wolle, welcher in dieser Gemein ein Hauß hat, und daß die Reyh an ihme kömpt, den Spieß zu tragen, so soll er sich mit der gemein abfinden, oder einen stellen, und im Geringsten sich nicht zu weigern haben, deßgleichen auch ohne Vorwissen der Gemein keinen Hofmann setzen, und wan ein Schultheiß zwei Heuser hat, soll er nach Billigkeit mit der Gemein sich vergleichen.

XV.

So haben wir von ohndenklichen Jahren hero von unser allerseits gnädigsten Herrschaft einen offenen Zoll alhier, und ist deßwegen ein gedrungen offen Fahr, dessen in aller Nutzbarkeit sollen und müssen handthaben, und mit zweyen guthen Plottschiffen unß versehen, benebens einer Nähen, des Fahrs wohl in Acht nehmen, ist der Brauch, daß alle und ein jeden Tag sechß Mann uff dem Fahr gehen sollen, und so bald die Sonne aufgehet, und der Tag anbricht, so sollen die drey ersten Färger mit einem Plottschiff hinüber nacher Mittelheim führen, sie haben den Lohn oder nicht, dort über verharren bis die zu Weinheim etwas haben, hinüber zu führen, als dan sollen sie herüber nacher Weinheim an gemeltes Ort und Stadt fahren, damit in alle wegen ein Schiff dieser seits ohn verhinderlich sei, bei hoher Straf und wird vermeldet, daß einer nur für ein Hauß fähret, denen Schützen belangen thut. Wan das Fahr zu gleich an sie beide kömpt, müssen sie sich vergleichen, daß einer das seinige vertauscht, damit einer in der Gemarckung Uffsicht habe.

XVI.

Es hat alhie zu Weinheim den alten Brauch, daß kein Weibsperson, noch ein Haussohn, wan er schon sein mannlich Alter erreicht und das Fahr versehen köndt, zum Fahr nicht zu gelassen werden, so lang und so viel, bis er in eine Heirath kömpt, sein Handtreu und Eydt geleistet, und das Fahr versehen kan, dero wegen, wan Schaden an dem Fahr entstehen solle, man sich zu erholen hette, und wird einem jeden Burger bei hoher Straf befohlen, sein Fahr selber zu versehen, wohe nicht, so soll er einen beeydigten Mann bestellen, darmit wan Schaden geschehe, man sich erholen hette. Hingegen solle der Lohn jeder Zeit nach Gelegenheit ab- und zugesetzt werden, und sollen bei dem Fahr vleißig Acht haben, bei hoher Straf.

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XVII.

So haben wir wegen unsers Fahrs von einer Rechnung zu der andern einen Segelmeister, welcher dan alle Sambstag die Gebühr wegen der bauenden Schiff das Segelgelt uffheben muß, und neben dem Burgermeister jährlich Rechnung darüber thun muß, und wird dem Segelmeister befohlen, wan eine Partei ausgefahren hat, das Schiff also ... zu kehren und sauber zu machen anhalten, und wan sölches nicht geschieht, soll einer zwanzig Pfennig Straf verfallen sein.

XVIII.

Dieweil die Schiffung in der Gemein gehöret, und wan die Färger fahren, ihren Lohn haben, so mögen alle Ingesessene alhier ohne Lohn über Rhein fahren, und wan ein Nachbar nötiger Geschefften halben hinüber fahren wolte, so sollen ihn die Färger umb halben Lohn führen.

XIX.

Halbfasten Marckt zu Oestrich im Rheingau belangendt, alsdan hat Macht die ganze Gemein, es seien Wittweiber oder Männer, zu fahren; des Abends, wan der Tag under und das Fahr ein End hat, den Lohn zu gleich under einander theilen; des anderen Tages aber müssen die andern Färger des Fahrs sich wieder annehmen und versehen.

XX.

Es ist auch das alte Herkommen alhier in diesen Ort, wan ein Burger, Weib oder Kind alhier aus dieser Gemein ziehen, sich anders wohin zu wohnen begeben, und Jahr und Tag aus der Gemeind pleiben, so solle sie alhier zu wohnen nicht wieder angenohmen werden, sie erlegen dan zuvor aufs Neu ihren Einzug oder schaffen sönsten mit der Gemein einen guten Willen, und daß sie guthe Urkundt ihres Wohlverhaltens von dem Ort, allwo sie sich uffgehalten haben, bringen und vorzeigen.

XXI.

Bei dem Fahr hat es auch den Brauch und Gerechtigkeit, dahe keinem im geringsten wird erlaubt und zugelassen, daß es sich zutragen und begeben sollte, daß die Färger in aller eyl nicht beisammen und zu bekommen weren, da sie entweder dieseits oder im Ringgaw weren, und jemandts käme, uff ein oder ander Seit, der Geschäfften eilendts hinüber wolte, daß ihn dan ein Fischer oder ein an der Nachbar wird mitnehmen und über führen, so soll er doch den Färgern den Lohn geben. Wird einem sowohl als dem andern erlaubt, aber keine heimliche Practiken dabei zu gebrauchen; welcher daruber thut, soll in der Gemeine Straf verfallen sein. Gleicher Gestalt hat auch ein Burger

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zwei oder mehr Fahr anzunehmen, aber er muß daselb vleißig versehen, damit keine Klage komme, sondern dessen wol in acht nehmen, aber keinem Schützen wird sölches zugelassen, auch nicht erkanndt, daß sie alle beide zugleich fahren sollen, bei Straf an Leib oder Gut. Und wan ein Mann bei dieser Gemein mit Todt verfahren solte, so wird es keiner Wittfrauen noch ihren Söhnen oder Töchtern, die in der Mutter Brod sind, zu fahren erlaubt, aber sie hat es einem andern Nachbarn umb die Gebühr zu geben.

XXII.

Dieweil dan dieser Ort Freyweinheim genannt, und auch allezeit dafür gehalten worden, derohalben alle auslendische Güther, als Acker, Wiesen, Kleuer und Auen, so in dieser Gemarckung liegen, kein Beeth davon zu geben schuldig sein, sondern der herrschaftlichen Schatzung ausgenommen, ganz frei. Was aber die Hoffraiden und Heuser anbelangen thut, wan ein oder ander Außländischer ein Haus oder mehr alhier hette, so sind sie in der Gemein schuldig ihr Gebühr zu thun, ... Hut und Wacht, und wan die Reihe an ihnen kömpt mit dem Schützenspieß, ist er schuldig einen Schützen zu stellen oder zu geben, er sei gleich hohen oder niedrigen Standes, Adel oder Unadel, und ob schon einer in den Gelöbden were, soll ihme dieselbe keines wegens befreien.

XXIII.

Nach dem alle Jahr dem gemeinen Becker das Backhaus verliehen wird, nach jedes Jahr und der Zeit Erkändtnuß, wan aber der Becker in der Burgerschaft were, und sein Gebühr der Gemeind geben hette, alsdann ist er schuldig, allen burgerlichen Last in der Gemein zu tragen, auch hüten und wachen. Darbeneben ist auch dem Becker ufferlegt und befohlen, daß er den Diesem oder Sauerteig einem jeden Nachbar darwiegen und die Waag richtig halten, und einen jeden mit guthen Diesem versorgen, und wan er jemanden etwas verdirbet, so soll er den Schaden kehren und bezahlen nach Erkändtnuß der Becker. Soll sich auch jeder Zeit mit guthem Holz versorgen, alßdann soll der Lohn nach Erkänntnuß gesetzt werden; nemlich von einem Malter ein Brod, welches doch uber funf Pfund nicht wiegen soll. Demselben solle er nachkommen, damit keine Klage erscheine. Und dan so ein Becker an gen ohmen wird, der nicht Burger ist, kann ohne Burgerrecht nicht ins Backhauß kommen.

XXIV.

Weil der Fruchtzehendt alle Jahr dem halben Theil des Dorffs verliehen wird, und diesselbe solche einsamblen müssen, an denen nun die Reyhe kömpt, die sind daselbe Jahr Schröder, dafern ein Schütz

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an den Zehenden Nutzen zu haben vermeinet, mag er mit anstehen, doch muß er wie ein ander Nachbar alle Handreichung thun, desgleichen alle Unkosten zu seinem Theil dabei legen.

XXV.

Alle Diejenige, welche ihren Einzug und Gebühr verrichtet haben, dieselbe haben auch Macht zu genießen in der Gemarckung gleich den andern, nemlich underscheidliche wüste Stücke in allen Gewandten, so jährlich pflegen in der Gemein getheilet zu werden, und wird einem sowohl, als dem andern sein Theil gegeben. Darbeneben haben wir an underscheidlichen Örtern etwas an Holz jährlich zu machen, daran ein jedtweder sein Theil auch nebens andern zu empfangen hat.

XXVI.

Frühelings wann das Viehe ausgeht, eß sein Pferdt oder Kühe, werden sie getrieben den Rhein hinuff oder hinab bis uff Walburgis alten Calenders, und gehet die Weidt durch Landau gleicher Gestalt auch uff der Dör-Wiesen ohne einige Verhindernuß. Und wan der Johanßtag oder die Erndt herbey kömpt, als dan ist Juncker Greifenclau und alle Burger schuldig, das Graß abzumachen ohne allen Verzug, also haben wir die Macht und Gerechtigkeit uff gemelte Stücker all unser Viehe, es hab Nahmen wie es wolle, zu treiben und zu weiden. Wird alßdann im Geringsten nichts Weiters geheget. So wir dann einen gemeinen Ochsen, er sei gleich eigen oder entlehnet, in der Gemeind haben, wird derselbe durch den Burgermeister ein ganz Jahr lanck oder so so langk er gelehnet ist, unterhalten; ist es weniger so hat er das Vortheil, doch muß Derjenig, so den Ochsen underhält, ebenmäßig den Lohn wie er gedingt worden, bezahlen, bis er abgeholet wirdt.

XXVII.

Viehe, es habe Nahmen wie es woll, Rindviehe, Schafe pp., so hier über dießeit Rheins geführet würdt, auch was von Meyntz oder Bingen kompt, und durch die Gemarck soll getrieben werden, so hat es von unserm Fahr von der Eyßbrechen bis an der steinen Brücken einen abgesteineten Weg, darauff die Schützen guthe Achtung geben sollen und schuldig, das Trieb-Viehe helfen durch zu treiben, damit niemandten Schaden zugefüget werde, sondern denselben nach Muglichkeit abwenden, insonderheit das Trieb-Viehe und unser Viehe durch den Angel-Weg neben der Wiesen hintreiben, und wan die Schützen hierin säumig erfunden werden, sollen sie mit gebührender Straf angesehen werden.

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XXVIII.

Die vier Herrnfänger, welch in dieser Gemeind sind, oder inskünfftig sein werden, sind geschworene Herrnfischer, darmit hat die Gemein nichts zu thun wegen des Wassers, sondern es gehet der Herrschaft an, was sie fangen, und wan im Winter Eis im Rhein zu brechen ist, gebührt es allenthalben, soweit als sie zu brechen haben, der Herrschaft den halben Theil, aber gegen dem Dorf Frey-Weinheim, an der Eisbrech genandt, wan alda Eis zu brechen ist, alsdan sind die Fischer schuldig mit einem Garn das Eis zu brechen, was sie da fangen, haben die Fischer den halben Theil und die Gemeind das halbe Theil und hat die Gemeind die Gerechtigkeit an der Eisbrech daß Eis zu brechen.

XXIX.

Die Schröder so alhie verordnet sind, die sollen haben von jedem Fuder Wein von den Wagen zu laden, sechs Albus, und wan sin in das Schiff laden von acht Fuder, sollen sie haben einen Krug von vier oder funf Maß Wein, der nicht darüber halten solle. Und soll Niemand uff den Fäßern trinken, noch kein Rohrpfeiff bei sich tragen, und welcher darüber erfunden wird, sol mit einer Straf angesehen werden, auch sollen sie sich des Weintrinkens enthalten, bis daß Diejenige so zu schroden haben, alle gefördert sind, wie sichs gebührt, damit Niemand verhindert und Schaden zu gefueget werden, bei hoher Straf.

XXX.

Kornschneider, Grasmeder, Drescher, Ackerleuth, und was dergleichenTaglöhner mehr sind, soll ihnen jedes Jahrs ihr Lohn nach Erkändtnuß ab und zugesetzt werden.

XXXI.

Wan sichs zutrüge, daß alte Leuth weren, oder eins vom andern mit Todt abginge, und deren eins die Gemeind uffkunden wolte, so wird deren keins zugelassen, noch erlaubt, Gras, Holz und was dergleichen sein mögte, in der Gemein zu holen, sondern sich dessen gänzlich zu eußern, und sich bei andere Leuth einthun. Jedoch ist ihnen nicht verbotten, Holz auf dem Ihrigen zu holen, auch was sie ihnen an Güthern vorbehalten haben, dieselbe zu bauen, zu gebrauchen und zu genießen haben sollen; der Gemeind ohne Schaden.

XXXII.

Nachdeme an ein und andern Orth in der Benachbarschaft, bißweilen große Feuerbrunsten entstehen, als hat der Schultheiß den Anstand zu machen, daß er darzu acht oder zum wenigsten sechs Mann aus

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der Gemein erwähle und mit gegebener Handtreu annehmen, daß dieselbe uff den Nothfall ein Feuer entstehen solle und sie sölches erreichen können, so bald der Klockenstreich ergehet, beneben dem Burgermeister zum Feuer laufen, und allen muglichen Fleiß und Hulf erweisen, und daher einer bei dem Feuer träge oder langsamb erfunden, oder sönsten untreulich handeln und etwas vereußern wolte, der soll mit einer starken Straf an Leib oder Guth angesehen werden, und sollen, wan es die Noth erfordert, zwo oder anderthalb Meil Wegß laufen, und wann sie wieder von dem Feuer zu Haus kommen, dan hat ein jeder drei Albus zu verzehren. Were es aber Sach, daß die Klock were geleuthet worden, und die Feuerläuffer doch vergebens aus der Gemarck gelaufen, haben sie den halben Theil zu verzehren, nemlich jeder zwölf Pfenning.

XXXIII.

Jährlich und alle Jahr werden nebens den Ältisten auch Allmußpfleger angenohmen, und werden die Ältisten ihres tragenden Ampts erinnert, gute Uffsicht zu haben, dahe Leudt, es sein Manß- oder Weibßpersonen, den Namen Gottes lästern, gebührend anzeigen; deßgleichen, wan an heimlichen Orten Hurerei oder Ehebruch getrieben, ein solches wohl in Acht nehmen, damit solchem Übel abgeholfen werde. Soviel die Allmußpfleger anlangt, so sollen sie dasjenige was den Armen gestiftet worden, vleißig eintreiben, darmit den Hausarmen, die sie wohl in Acht zu nehmen haben, zu ihrer Noturfft gesteuret werde, und darüber gute Rechnung halten, wie dan denselben uff dem neuen Jahrestag gebührt zu halten, das wird ihnen von Gott dem Allmechtigen reichlich belohnet werden. Die Alten gehen uff den neuen Jahrestag ab, und als dan werden die Neue wieder angenohmen.

XXXIV.

So es sich begibt, daß Eltern vor ihren Kindern verfielen und im Todt abgingen, uff sölchen Fall soll Schultheiß und Burgermeister derselben Verlassenschaft inventieren, ein richtiges Inventarium uffrichten und den Kindern Vormunder ordnen, an Eidts statt Handttreu geben und angeloben, daß sie den Kindern nach ihrem besten Vermögen wollen vorstehen, ihr Hab und Nahrung nicht lassen in Abgang kommen, und darmit umbgehen als mit ihren eigenen Guthern und was ihnen gelieffert wird, gewerblich darmit umbgehen und die Güther nicht selbst genießen oder zu gebrauchen, sondern Jemandten anders verliehen und bauen laßen, damit kein Betrug vorgenohmen oder gespüret werde. Es soll auch kein Vormunder nichts ohne den andern zu thun Macht haben, jedoch soll alle Jahr Rechnung gehalten werden, und soll ein jeder seine Rechnung besonders zu thun schuldig sein.

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XXXV.

Weil das Dorf Freyweinheim klein und keinen Feltmesser noch Steinsetzer hat, derowegen wan man derselben von nöten, sölche zu Nieder-Ingelheim bei Herrn Schultheißen zu ersuchen, der sie ihnen umb die Gebühr wird abfolgen lassen. Desgleichen haben Schultheiß, Burgermeister und Rath zu Nieder-Ingelheim zu geben Ehlenmaß und Gewicht, wie auch alle Jahr den Wirthen die Kandten zu beschütten, den Beckern in alle Wege, wan er Brod oder Weck uff den Kauf backen wird, zu wiegen Macht haben, und so oft der Becker unrecht befunden, soll er mit einer Straf angesehen werden.

XXXVI.

Wan einer oder der ander in der Gemein alhier zu Freyweinheim Uneinigkeit, Hader, Zanck, es sei in den Wirtshäußern, oder uff offener Straßen, erreget und anstiftet, dadurch gemeinlich Schlägerei erfolget, wan dan der Schultheiß sie nicht vergleichen oder zurecht bringen kann, die Partheien nicht zufrieden sein werden, alsdann hat er seinen vorgesetzten Oberschultheißen, Burgermeister und Rat zu Nieder-Ingelheim umb Beistand anzusprechen, welche die Verbrecher durch die Büttel vorbescheiden lassen, die dann erscheinen müssen und an die Verbrecher nach Befindung mit gebührlicher Bestrafung mit dem Thurm oder sönsten anzusehen haben, so oft sölches von nöten sein wird. Aus diesen Ursachen haben sie diese Ordnung, weil die zu Freyweinheim in und zur Pfarrkirchen Nieder-Ingelheim gehören, die Eheleuth darin eingesegnet werden, die junge Kinder dahin zur Tauf gebracht und die Verstorbene uff den Kirchhof aldar begraben werden, gleich wie andere Bürger zu gedachtem Ingelheim.

XXXVII.

Alle Bürger und Eingesessene werden dahin ernstlich ermahnet, daß sie den Stein-Weg in gueter Handhabung halten sollen, damit wan die Weine zu Herbst-Zeiten nach dem Rhein geführet, dieselbe wie auch das Geschirr keinen Schaden leiden mögen, und wan einer Schaden nehmen sollte, er sich deßwegen zu erholen hette.

6.

Benannte Vertreter der Gemeinde Frei-Weinheim bitten das Oberamt Oppenheim um Erneuerung der im Jahre 1600 renovierten Dorfordnung, von der die abgestorbenen Schultheißen Johann Henrich Riegel und nach ihm Theophil Gersing, durch Errichtung einer besonderen Betzenkammer abgewichen seien. Die nachgesuchte Renovierung der die Verbindung mit Nieder-Ingelheim bezeugenden

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Dorfordnung entspräche dem Willen der ganzen Gemeinde Frei-Weinheim.

1698, April 21: (STAO: Akten V 4 (1660-1740).

In der Bittschrift wird der Inhalt aller Bestimmungen der Dorfordnung mitgeteilt. Wir erfahren dadurch ihren bis jetzt fehlenden, aus sieben Artikeln bestehenden Anfang und ihren Schluß mit laufenden Zusätzen:

I. I n h a l t   d e s  A n f a n g e s:

1. Wann ein Schultheiß allhier (nämlich zu Frei-Weinheim) mit Tod oder sonsten abgehet, so ist Herkommens, daß aus der Gemeindt Frey-Weinheim einer soll erwählet werden, und wer dazu erwählet wird, der ist dann schuldig, sein Gelübd zu thun, sowohl dem Ober-Ampt Oppenheim, als auch Schultheißen und Rath zu Nieder-Ingelheim, und soll auch darauf angeloben und schwören, daß er seiner Gemeind treulich vorstehen will, sie vor Schaden zu warnen, zu Tag und Nacht und so es die Notturft erfordert, vor Unheil zu waren, und an Ihne, so viel in seinem Vermögen ist, nichts ermangeln lassen;

2. wie sie ihren Schultheißen angeloben und sich gegen denselben zu verhalten haben;

3. wann ein junger Burger, sowohl Inheimischer alß Frembder angenommen, waß derselbe zuvor zu thun schuldig, ehe und bevor derselbe angenommen, und wie er sich zu verhalten schuldig;

4. wann ein fremder Burger angenommen, soll er sein ehrlich Herkommens vorhin vorzeigen, ob er herrnlos und dann hundert oder fünfzig Gulden anlegen;

5. soll kein Frembder zu Burger angenommen werden, er habe dann sein Einzug erlegt;

6. soll ein Inheimischer schuldig sein, gegen einem Frembden den halben Einzug zu erlegen.

II. S c h l u ß a r t i k e l  d e r  D o r f o r d n u n g.

37. Daß alle Burger zu Freiweinheim schuldig sein, umb Herbstzeit, wann die Wein geschroden und zu Rhein gebracht, den Steinweg zu machen, damit kein Schaden an Geschirr oder Wein geschieht.

III. S p ä t e r e  Z u s ä t z e  d e r  D o r f o r d n u n g.

Endlich und zum Beschluß ist durch Juncker Geispitzheim und durch den Rath zu Nieder-Ingelheim anno 1600, weil bisweilen große Unordnung wegen des Fahrs zu Freyweinheim entstanden und die Färger mehr als ihnen gebühret, von den Leuthen nehmen, deßwegen, wann das Wasser groß, doppelten Lohn verordnet, wofern es wieder an den alten Ort kompt, sein vorige Bewandtnuß hat.

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Nun folget, wie alle Ämbter durch den Schultheiß und Rath zu Nieder-Ingelheim von Jahr zu Jahr umb gewisse Zeit besetzt worden seind zu Freiweinheim, nemblich bis anno 1682 den 12. Dezember, und wie die Burgermeister-Rechnung verhöret und abgelegt worden seie, auch wie einer oder der ander ab- und angenommen wird, der Kürze nach angezogen."

 

Kommentar Gs:

Auffällig ist, dass in dieser Dorfordnung kein Kran erwähnt wird, wohl aber die Weinschröter (die "Schröder" in Artikel XXIX), also die Verladeknechte für Weinfässer, deren Weinenthaltsamkeit und Lohn hierin geregelt wird. Das deutet darauf hin, dass es zu jener Zeit keinen funktionierenden Kran und keine Absicht, ihn bald wiederherzustellen, mehr gab. Denn die Weinschröter luden die Fässer aus den Weinkellern, z. B. in Ober-Ingelheim, auf Wagen und von denen auf die Schiffe, ohne einen Kran zu benutzen, und zwar bisweilen auf eine sehr rücksichtslose Art und Weise.

Bei Kränen hingegen hießen die Beschäftigten "Kranenknechte", "Radläufer", "Windenknechte", "Tretknechte"; "Kranmeister", "Kranschreiber".

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Gs, erstmals: 10.12.11; Stand: 11.01.21