Das Gruppen-Wasserpumpwerk von Nieder-Ingelheim und der Hochbehälter


Autor und Fotos: Hartmut Geißler
nach "Von der Großherzoglichen ..."
und Lamberth, Wintersheim

sowie AZ vom 15.12.20: "Immer weniger Grundwasser", eine Reportage über die Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz mit Sitz in Bodenheim


Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Trinkwasserproblem im wasserarmen Rheinhessen immer dringender, denn die bisherigen rein lokalen Maßnahmen der Gemeinden konnten oft mit dem Trinkwasserbedarf der wachsenden Bevölkerung in Landwirtschaft und Industrie nicht Schritt halten. Diese Entwicklung in Nieder- und Ober-Ingelheim hat Anno Vey in seiner Jubiläumsschrift 50 Jahre "Rheinhessische" Ingelheim am Rhein, 2010, nachvollzogen.

 

Die hessische Regierung in Darmstadt erkannte dieses Problem. "Mit Verordnung vom 30. April 1895 wurde die Wasserversorgung im ehemaligen Großherzogtum Hessen - nach dem Vorbild der Nachbarländer Baden und Württemberg sowie hinsichtlich der Organisation auch Elsaß-Lothringens - verstaatlicht..."

Unter der Leitung des Wasserbau-Ingenieurs Carl (oder Karl) Bruno von Boehmer "wurde [durch die sog. Kulturinspektion; Gs] in den folgenden Jahren für weite Teile Rheinhessens, vornehmlich im mittleren und südlichen Teil, ein völlig neues Versorgungssystem aufgebaut. Innerhalb von nur knapp 5 Jahren (1902-1907) kam es zur Bildung von 5 Gruppennetzen auf der rechtlichen Basis von Gemeindeverbänden:

1. Nahe-Appelbach-Gebiet mit Pumpwerk in der Nahe-Niederung
2. Bodenheimer Gebiet mit Pumpwerk bei Bodenheim
3. Seebach-Gebiet mit Pumpwerk bei Osthofen
4. Selz-Wiesbach-Gebiet mit Pumpwerk bei Nieder-Ingelheim
(s.u.)
5. Rhein-Selz-Gebiet mit Pumpwerk bei Guntersblum."

(Großherzogliche Kulturinspektion S. 112)

 

 

 

 

 

 

"WASSERWERK
DES
SELZ-WIESBACH-
GEBIETES
ERBAUT:
1905-06."


Es war damals das größte Pumpwerk für Landgemeinden im ganzen Großherzogtum Hessen und ist noch heute in Betrieb (Vey, 50 Jahre "Rheinhessische", S. 49). Es versorgte die Ingelheimer Orte mit Rheinuferfiltratwasser und ergänzte so die Wasserversorgung von Guntersblum her durch eigenes Ingelheimer Wasser. Entworfen wurde es durch den Architekten Wilhelm Lenz, Mainz, und erbaut aus Flonheimer Sandstein. Es liegt jenseits der Autobahn am Badweg.

Zur Versorgungssicherheit der damals 23 Gemeinden des Rhein-Selz-Gebietes wurde ebenfalls im Jahre 1906 an der höchsten Stelle dieses Wasserversorgungsgebietes bei Wintersheim (zwischen Gau-Odernheim und Guntersblum) der "Haupthochbehälter II" mit 1000 Kubikmeter Fassungsvermögen gebaut, vom selben Architekten Wilhelm Lenz. Von dort kann das aus Guntersblum hochgepumte Wasser die Ortshochbehälter der angeschlossenen Orte durch sein natürliches Gefälle erreichen. Der  Haupthochbehälter I für 250 Kubikmeter Fassungsvermögen liegt in Hangen-Wahlheim (südl. v. Guntersblum).

Auch der Ingelheimer Hochbehälter unterhalb des Bismarckturmes wird von dort her einbezogen. Denn wegen der zu hohen Nitratwerte des Ingelheimer Wassers muss es mit dem Wasser der RWV (Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz) gemischt werden.

Der Turm kann seine stilistische Nähe zum gleichzeitig im Bau befindlichen Ingelheimer Bismarckturm nicht verleugnen. Sogar einen Balkon hat er und oben eine Aussichtsplattform, die allerdings der Öffentlichkeit nicht immer offensteht.

Lamberth urteilt: "Das Wasserwerk Guntersblum [und gewiss ebenso das in Nieder-Ingelheim; Gs] und die vielen Hochbehälter gelten heute als sehenswerte Kulturdenkmäler der damaligen Zeit", einer Zeit des Jugendstiles und der Neoromanik.


Gs, erstmals: 11.03.07; Stand: 15.12.20