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War König Karl IV. 1354 in Ingelheim?

 

Autor: Hartmut Geißler


Dass die Stiftungsurkunde wirklich in Anwesenheit von Karl in "Nidern-Ingelnheim" (eine deutsche Ortsangabe inmitten eines lateinischen Textes!) ausgefertigt wurde, ist sehr fraglich.

Denn gemäß seinem Itinerar, das sich allerdings fast nur auf die Daten von Urkunden stützt, reiste er nach längerem Aufenthalt in Mainz, wo seine letzten Urkunden am 11. und 12. Januar datiert wurden, nach Frankfurt, wo er noch am selben 14. Januar eingetroffen sein soll, weil seine Gattin dort gekrönt wurde. Konnte er zusammen mit seinem Sekretariat und den notwendigen Zeugen reitend trotzdem vorher schnell noch einen Abstecher über Ingelheim gemacht haben, was einen Umweg von fast einer Tagesreise (hin und zurück) bedeutete?

Eine solche Stiftung setzte umfangreiche Vorarbeiten voraus: Geplant worden muss diese Stiftung sicher schon längere Zeit sein (vom Mainzer Erzbischof?), auch das Gelände mit dem Gebäudebestand muss natürlich vorher begutachtet worden sein und die wahrscheinliche Einwilligung der Kurfürsten in Willebriefen sollte sinnvollerweise ebenfalls schon vorher diplomatisch ausgelotet worden sein. Plausibler erscheint daher, dass die Urkunde zwar in Ingelheim ausgestellt wurde, aber nicht in Anwesenheit des Königs, der wohl an diesem Tag nach Frankfurt reiten musste, in der Gegenrichtung.

Wenn hingegend alles vorbereitet war und er den Auftrag dazu erteilt hatte, kann der abschließende Beurkundungsvorgang sehr gut ohne ihn stattgefunden haben. Das gilt freilich für alle anderen seiner Urkunden ebenso, sodass dieses Problem die Fragwürdigkeit von Itineraren zeigt, die darauf aufgebaut sind.

In Frankfurt hielt sich Karl bis zum 30. Januar auf (Urkunden), kehrte wieder nach Mainz zurück, wo in seinem Namen Urkunden am 31. Januar, 1. und 2. Februar (an diesem Tag wurde auch die Bestätigung des Mainzer Erzbischofs für das neue Kloster geschrieben) erstellt wurden, und reiste dann weiter nach Trier (erste Urkunde am 10. Februar). In diese Reise von Mainz nach Trier würde ein Ingelheimaufenthalt viel besser passen, weil er dabei zu Schiff oder auf dem Landweg an Ingelheim vorbei bzw. durch Ingelheim hindurch gekommen sein muss. Aber davon wird nichts berichtet. Alle folgenden Urkunden zu den Einkünften des Klosters und seiner Steuerbefreiung wurden in namhaften Städten ausgefertigt, wo sich die Könige tatsächlich aufgehalten haben.

Es spricht daher nichts außer der vielfach überlieferten Ortsangabe der Urkunde "datum in Nidern Ingelnheim" dafür, dass Karl IV. selbst damals den Ingelheimer Saal besucht hat. Erhalten sind lediglich Abschriften, in denen die folgenden Könige die Stiftung in Nieder-Ingelheim bestätigten und den Wortlaut von Karls Urkunde darin inserierten (einfügten), jedes Mal mit dieser Ortsangabe. Die originale Stiftungsurkunde soll in den Hussitenkriegen (1419-1436) vernichtet worden sein, aber erst nach den ersten inserierten Abschriften, die also noch auf das Original zurückgreifen konnten.

Plausibler erscheint mir eine Behandlung des ganzen Projektes von Mainz aus, wo Karl anscheinend seine Geldgeschäfte abwickelte, ebenso wie das weitgehende Schreiben der lateinischen Urkunde in Mainz, und die Einfügung einer deutschen Ortsangabe könnte dadurch entstanden sein, dass vor dem endgültigen Abfassen noch etwas in Ingelheim geklärt werden musste, was aber durchaus ohne Mitwirkung des Königs möglich war.

Angeblich soll Karl sechsmal selbst an Pilgerreisen nach Aachen teilgenommen haben, aber von keiner dieser Reisen ist ein Stopp in Ingelheim bekannt, das er auf dem Landweg von Prag nach Aachen durchquert haben muss.

 

Gs; erstmals 19.06.17; Stand: 18.03.21