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Die Entnazifizierung in Ingelheim unter Bürgermeister Dr. Rückert


Autor: Hartmut Geißler
aus: 50 Jahre Stadt Ingelheim



Rückert beschrieb die Vorgänge der Entnazifizierung in Ingelheim so (in: 50 Jahre Stadt Ingelheim, S. 93-94):

"1. Die Funktionäre der NSDAP und ihrer Gliederungen

Als die Amerikaner Ingelheim besetzten, war einer ihrer ersten Erlasse: die Meldepflicht für alle deutschen Soldaten und Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen. Wie mir Obersekretär Berle berichtete, wurde eine größere Zahl von Funktionären der NSDAP, SS und SA Anfang Juni 1945 in ein Umerziehungslager nach Landau verbracht. Als die Amerikaner van den Franzosen abgelöst wurden, übernahmen diese auch das Umerziehungslager. Als ich am 21. Juni 1945 das Bürgermeisteramt übernommen hatte, kamen Angehörige der in das Umerziehungslager Verbrachten zu mir in das Rathaus und baten, mich bei der Militärregierung für die baldige Freilassung ihrer Angehörigen einzusetzen. Ich leitete diese Anträge befürwortend an die Militärregierung weiter und hatte auch meist Erfolg.

2. Die Entnazifizierung der Beamten und Angestellten in öffentlichen Verwaltungskörperschaften und öffentlichen Betrieben

In dieser Kategorie mußte jeder, ob er Parteimitglied war oder nicht, einen mehrere Seiten umfassenden Fragebogen ausfüllen und seinem leitenden Vorgesetzten übergeben, der ihn der Zentralen Säuberungskommission in Neustadt weiterleitete. Dort wurde in einem Ausschuß, dem Vertreter aus den jeweiligen Amts- bzw. Dienstbereichen angehörten, die Fragebogen geprüft und entschieden entweder auf

a) Belassung im Dienst
b) Rückstufung in der Gehaltsstufe
c) Entlassung mit Pension
d) Entlassung ohne Pension.

Dazu war in der Praxis die Möglichkeit einer vorläufigen Belassung vorgesehen. 1947 wurde dann durch den Beschluß des Alliierten Kontrollrates in Berlin-Karlshorst in allen vier Besatzungszonen ein Rechtsverfahren mit Spruchkammern und Berufungsinstanzen eingeführt. Am 28. November 1946 erstattete ich der Personalkommission der Stadt Ingelheim Bericht über die Entnazifizierung der Beamten und Angestellten in der Stadtverwaltung und in den Stadtwerken.

Durch Beschluß der Zentralen Säuberungskommission wurden entlassen: Acht städtische Beamte, elf städtische Angestellte. Bei mehreren Beamten und Angestellten wurden Rückstufungen im Gehalt beschlossen, bei einem Beamten war auf vorläufige Belassung im Dienst, bei der Mehrzahl der Beamten und Angestellten auf Belassung im Dienst erkannt worden."

 

Gs, erstmals: 04.05.09; Stand: 26.03.21